Die Verhandlungen zur zweiten Inspektion des dritten Rettungspakets gehen weiter

Der griechische Finanzminister konnte, wie die von EuroStat bestätigten Zahlen belegen, 2016, das von den Kreditgebern gesetzte Sparziel um ein Vielfaches überschreiten. Stolze 6,9 Milliarden Euro und damit 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt das Primärplus des Staatshaushalts. Nach den strengeren Regeln der Kreditgeber wird die buchungstechnische Größe anders ausfallen, jedoch immer noch weit über den vorgeschriebenen 0,5 Prozent liegen. Hier führt die Berechnungsmethode zu 4,2 Prozent Überschuss. Insgesamt konnte der Staat nach Abzug der Ausgaben für die Schulden ein buchungstechnisches Haushaltsplus von 1,3 Milliarden Euro, 0,7 Prozent des BIPs erzielt werden.

Verglichen mit 2015 sanken die Staatsausgaben von 95,2 Milliarden Euro auf 86,185 Milliarden Euro. Bei den Einnahmen gab es eine Erhöhung von 84,8 Milliarden 2015 auf 87,473 Milliarden Euro 2016. Trotzdem stieg der Schuldenquotient weiter an, waren es 2015 noch 177,4 Prozent des BIP, wurden für Ende 2016 von der ElStat 179 Prozent ermittelt. Der hohe Primärüberschuss wurde mit dem Abwürgen der Wirtschaft erkauft.

Allein in den ersten zwei Monaten 2017 stiegen die von den Steuerpflichtigen nicht beglichenen Schulden um 2,6 Milliarden Euro. Der stets als Erfolg verkündete Anstieg der Einnahmen basierte im ersten Quartal 2017 vor allem auf der Begleichung früherer Steuerschulden und Pfändungen des Besitzes von nicht mehr zahlungsfähigen Bürgern. Allein im Februar gab es 21.231 Pfändungen, somit knapp 1.000 pro Arbeitstag. 1.655.636 Steuerpflichtige Griechenlands, eines Landes mit knapp zehn Millionen Einwohnern sind von Pfändung bedroht.

Der Einnahmeüberschuss wurde teuer erkauft. Von Freiberuflern gab es im Februar 2016 noch 122,59 Millionen Euro Steuereinnahmen. Weil dieser Berufszweig mit massiven neuen Steuern belegt wurde, meldeten zum Jahresende mehr als 130.000 Steuerpflichtige ihre nun nicht mehr rentabel zu betreibende Erwerbstätigkeit ab. Dies taten vor allem jene, die neben der freien Tätigkeit auch noch abhängig beschäftigt waren. Denn sie wurden vom Fiskus am härtesten bestraft. Daher wurden im Februar 2017 nur noch 97,74 Millionen Euro Steuereinnahmen verbucht.

Weitere Rentenkürzungen, Erleichterung von Massenentlassungen, Privatisierungen

Unter diesen Vorzeichen mag es verständlich sein, dass die Kreditgeber, die seit Montag wieder in Athen weilen, bei einer Beibehaltung der bisherigen Politik weitere „Reformen“ in Form von Leistungskürzungen und Steuererhöhungen begehren. Anders kann das nun geforderte Ziel eines ständigen Primärüberschusses von 3,5 Prozent für die nächsten Jahre nicht gehalten werden.

Für 2019 und 2020 werden Maßnahmen in Höhe von 3,9 Milliarden Euro verlangt. Im Einzelnen haben sich bereits folgende Maßnahmen herauskristallisiert:

Es wird eine weitere Kürzung der mit Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgeber ohne Zutun des Staates finanzierten Zusatzrenten geben. Durch eine weitere Rentenreform werden auch die übrigen Ruhegelder noch einmal, zum 13. Mal seit 2010 beschnitten.

Das Tarifrecht für die freie Wirtschaft wird weiterhin außer Kraft gesetzt, indem Tarifvereinbarungen zwischen den Sozialpartnern nicht bindend sind.

Das Ministervetorecht bei Massenentlassungen wird abgeschafft. Für den Einzelhandel werden die verbliebenen Beschränkungen für Öffnungen an Sonntagen abgeschafft. Hinsichtlich der Privatisierungen müssen schnellstens 17 Prozent des Elektrizitätsunternehmens PPC, 35 Prozent der Raffinerien der ELPE, 65 Prozent des Gasversorgers DEPA und 30 Prozent des internationalen Flughafens von Athen vom Staat an Investoren abgegeben werden.

Mit einer Verminderung des Steuerfreibetrags um 30 Prozent sollen weitere Steuereinnahmen generiert werden. Faktisch bedeutet dies für die Bezieher von niedrigen Einkommen und Renten den Verlust eines Monatslohns oder einer Monatsrente.

Ein Beispiel einer Kürzung

Pars pro toto sei am Beispiel der Hinterbliebenenrenten erklärt, wie einschneidend die jeweiligen Maßnahmen umgesetzt werden. Dienten die Hinterbliebenenrenten im Todesfall des Versicherten eigentlich der Absicherung der zurückbleibenden von ihm versorgten Familie, sind mit der Reform vom Frühjahr 2016 junge Mütter oder alternativ nicht berufstätige Väter faktisch davon ausgeschlossen.

Zwar können sie als Elternteil von einer Ausnahmeregel Gebrauch machen, welche die Mindestzeit des gemeinsamen Lebens, die von drei auf fünf Jahre Hochzeit erhöht wurde, etwas aufweicht, aber sie erhalten, sofern sie jünger als 55 sind, die Rente nur für drei Jahre. Vollendet der Bezieher einer Hinterbliebenenrente nicht innerhalb der drei Jahre nach dem Tod das 55. Lebensjahr, dann fällt die Rente komplett weg.

Ohne Rente bleiben auch jene, deren verstorbener Ehepartner in den vergangenen fünf Jahren nicht überwiegend berufstätig war. Für den Bezug einer Hinterbliebenenrente ist es Vorschrift, dass der Verstorbene innerhalb der letzten fünf Jahre an 600 Tagen sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten hatte.

Für Hinterbliebene von Rentnern gibt es eine weitere Kürzung. Statt 70 Prozent des letzten Ruhegeldes erhalten sie nun 50 Prozent – aber nicht der letzten Rente, sondern der Rente, welche der Verstorbene erhalten würde, wenn er nun in den Ruhestand ginge. Das beinhaltet eine weitere Kürzung, weil die neuen Rentensätze erheblich unter denen in der Vergangenheit erteilten liegen.

Auch hier gibt es die Frist von drei Jahren. Danach erhält der überlebende Ehepartner die Rente nur, wenn er über kein eigenes Einkommen verfügt. Liegt ein eigener Rentenbezug, oder gar eine Erwerbstätigkeit vor, so verringert sich die Hinterbliebenenrente um die Hälfte.

Diese für Nordeuropäer eher wenig einschneidenden Maßnahmen sind vor dem Hintergrund einer Arbeitslosigkeit in der Größenordnung von 25 Prozent sowie der Tatsache, dass die Hälfte der griechischen Haushalte in ihrer Finanzplanung von Renten abhängig ist, zu sehen. Es gibt immer noch keine staatliche Sozialhilfe – auch nicht nach deutschem Hartz4-Muster.

Für betroffene Mütter und deren Kinder ist somit beim Todesfall des erwerbstätigen Ehepartners der Weg in die Armut vorprogrammiert.

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